Aufgestützt sitzender Halbakt

Gustav Klimt

Wien 1862 - 1918 Wien

Aufgestützt sitzender Halbakt

Bleistift auf Papier

37 x 54,6 cm

Links unten signiert: GVSTAV / KLIMT

Diese Arbeit wird in Marian Bisanz-Prakkens Ergänzungsband zu Alice
Strobls Werkverzeichnis der Zeichnungen Gustav Klimts aufgenommen.

Provenienz:

Galerie Giese & Schweiger, Wien
Sammlung Rudolf Leopold, Wien

Klimts Zeichnung eines aufgestützt sitzenden, weiblichen Modells mit teilweise entblößtem Oberkörper wird hier erstmals publiziert. Diese hinreißende Arbeit lässt sich einer Gruppe von Studien zuordnen, die Alice Strobl unter dem Titel "Akte und Halbakte 1910" zusammengefasst hat, und die – wie im vorliegenden Fall – zum Großteil ein horizontales Format aufweisen (Strobl II, 1982, Nr. 1955–1966; die auf dem Bett sitzende Stellung kommt vor allem Nr. 1958 und 1964 nahe). Sowohl diese als auch andere, gleichfalls um 1910 entstandene Aktzeichnungen sind als autonome Werke anzusehen, die keinen Zusammenhang mit bestehenden Gemälden aufweisen. Doch in ihrer subtilen oder unverhohlenen Erotik sind sie gewissermaßen das Vorspiel zur unermüdlichen zeichnerischen Tätigkeit, die Klimt bald darauf im Rahmen seines späten Hauptwerks "Die Jungfrau" (1913) entfalten sollte.
In dieser Zeichnung liegt der Fokus auf dem vertikal aufgerichteten Oberkörper; Klimt skizzierte das gemusterte Gewand, das die horizontal gelagerten, scheinbar leicht gewinkelten Beine zum Großteil verdeckt, nur leicht. Die Zehenspitzen des ausgestreckten vorderen Fußes berühren den linken Papierrand und fixieren die Figur in der Fläche. Auf der rechten Seite hingegen dominiert das Spiel der einander raffiniert überlagernden Körper- und Textilteile: der stützende, hoch aufgerichtete Arm, das runde, schräg gehaltene Gesicht und die ausladende Haarpartie. Als leichtes Element bringt Klimt den heruntergelassenen Träger des Unterkleids ins Spiel, der die strenge Vertikalität des Arms durchbricht und die schwere linke Brust preisgibt. Dank der subtil differenzierten Linienführung hat jede Einzelheit dieser herausragenden Arbeit ihre eigene Poesie. Letztere gipfelt im verträumten Ausdruck des uns frontal zugewandten Gesichts, in dem die kräftig akzentuierte Augenpartie, der sinnlich gewölbte Mund und die breite Frisur unweigerlich an die von Klimt 1910 datierte Zeichnung eines Damenbildnisses (Strobl Nr. 1963, Museum der Bildenden Künste Leipzig) erinnern – ein Umstand, der unserer zeitlichen Einordnung zusätzlich entgegenkommt.
Marian Bisanz-Prakken