Marschlandschaft um Seebüll im Sonnenuntergang

Emil Nolde

Nolde 1867 - 1956 Seebüll

Marschlandschaft um Seebüll im Sonnenuntergang

Aquarell auf Japanpapier

35,2 x 44,7 cm

Rechts unten signiert: Nolde

Fotoexpertise von Prof. Dr. Manfred Reuther, Nolde Stiftung Seebüll, vom 9. Juni 2022.
Dieses Aquarell ist in der Nolde Stiftung Seebüll unter der Nummer "Nolde A - 247/2022 verzeichnet.

Provenienz:

Privatbesitz, Österreich

Literatur:

vgl. Ausstellungskatalog, "Emil Nolde. In Glut und Farbe", hrsg. von Husslein-Arco/Koja, Unteres Belvedere, Wien 2013, Abb. S. 256ff.

Zeit seines Lebens war Emil Nolde eng mit seiner Heimat in Nordfriesland verbunden. 1867 als Sohn eines Landwirts unter dem Namen Emil Hansen geboren, lernte er bereits früh und unmittelbar die eigenwillige Landschaft des nördlichsten deutschen Landkreises kennen und lieben. Gemeinsam mit seiner Frau unternahm Emil Nolde viele Reisen, die ihn unter anderem auch in die Südsee führten. Trotz der vielfältigen Eindrücke und künstlerischen Inspirationen der besuchten Länder und ihrer Kulturen, blieb Nolde dennoch stets der Landschaft des Nordens mit ihrem Charakter des Ursprünglichen und Urwüchsigen verbunden. "Selbst bin ich der Meinung, dass meine Kunst trotz Reisen überall hin, tief im Heimatboden wurzelt, in dem schmalen Lande, hier zwischen den Meeren."(1) […] "Unsere Landschaft ist bescheiden, allem Berauschenden, Üppigen fern, das wissen wir, aber sie gibt dem intimen Beobachter für seine Liebe zu ihr unendlich viel an stiller, inniger Schönheit, an herber Größe und auch an stürmisch wildem Leben."(2)
In tiefer Verehrung ihrer Einzigartigkeit hält Nolde seine Heimat in den 30er Jahren mit dem vorliegenden Aquarell "Marschlandschaft um Seebüll im Sonnenuntergang" fest. Über die ruhige Stille des dunkelgrünen Marschlands im Vordergrund führt der Künstler den Blick zum tief im unteren Bilddrittel angelegten, im letzten Schein der untergehenden Sonne feurig aufglühenden Horizont. In goldgelbem Licht leuchtet die Landschaft um die Gehöfte auf, markant heben sich dabei die schwarzen Silhouetten der Häuser gegen das helle Leuchten ab. In der Ferne öffnet sich der Abendhimmel weit und lenkt so den Blick auf die lebendig inszenierte Wolkenformation mit ihrem faszinierenden Farbenspiel. Warm scheint das Rot der Aquarellfarben auf, geht mit tiefem Blau in dunkles Violett über, kontrastiert gegen leuchtendes Cyan und verdichtet sich im selbständigen Fließen der Töne zu tiefem Kobaltblau. Luftig überlagern sich die Wolkenfelder, gehen an einer Stelle konturlos ineinander über, grenzen sich an anderer Stelle scharf umrissen voneinander ab – nicht zuletzt hier visualisiert sich Noldes einzigartige Kunstfertigkeit im Umgang mit Farbe, die er mit triefend nassem Pinsel auftrug. In glühenden Farben und stiller wie zugleich lebendiger und gänzlich eindrücklicher Weise setzt Nolde der Heimat hier eine Hommage und lässt eine Landschaft von nahezu unwirklicher, zeitloser Schönheit entstehen.
1) Emil Nolde, Briefe 1894 – 1926, in: Max Sauerlandt (Hg.), Berlin 1927, Neuausgabe Hamburg 1967, S. 141
2) Emil Nolde, Reisen, Ächtung, Befreiung. 1919 – 1946, Nolde Stiftung Seebüll (Hg.), Köln 2002, Bd. IV, S. 52
Angelika Karner