Wien 1862 - 1918 Wien
Auf dem Bauch liegender Akt nach Rechts
Studie in Zusammenhang mit "Wasserschlangen II"Blauer Farbstift auf Papier
36,6 x 55,7 cm
34,5 x 53,5 cm (Passepartoutausschnitt)
Rechts unten Nachlassstempel: GUSTAV / KLIMT / NACHLASS
Strobl WV Nr. 1457
Provenienz:
Privatsammlung, Österreich
Ausstellungen:
Wien, Albertina, „Gustav Klimt – Egon Schiele. Zum
Gedächtnis ihres Todes vor 50 Jahren. Zeichnungen und Aquarelle“,
1968, Nr. 48
Literatur:
Ausstellungskatalog, "Gustav Klimt - Egon Schiele. Zum Gedächtnis ihres Todes vor 50 Jahren. Zeichnungen und Aquarelle", Albertina, Wien 1968, Abb. 48
Alice Strobl, Gustav Klimt. Die Zeichnungen. Bd. II: Die Zeichnungen 1912-1918, Salzburg 1984, Abb. S. 91, WV Nr. 1457
Im zeichnerischen Werk Gustav Klimts sind horizontale Blätter, in denen ausgestreckt liegende Modelle die ganze Papierbreite umspannen, zahlreich vertreten. Ihren wesentlichen Ausgang nahm diese Darstellungsart von den vielen Studien, die Klimt im Kontext seines querformatigen Gemäldes "Wasserschlangen II" (1904-1907) schuf. In diesem Hauptwerk des Goldenen Stils evozieren nackte, an der Bildfläche entlangtreibende Frauengestalten eine bunte, erotisch verspielte Unterwasserwelt. Das hier präsentierte Blatt entstand 1905/06 im Zusammenhang mit der zweiten, heute bekannten Fassung des Gemäldes. Die zahlreichen Aktzeichnungen, die die beiden Arbeitsphasen von "Wasserschlangen II" begleiteten, weisen einen autonomen Charakter auf. Manchmal stehen einander die gezeichneten und die gemalten Figuren konträr gegenüber, so auch in unserem Fall.
Die Studie eines bäuchlings liegenden Modells hängt in der Stellung mit der unteren, in der Bauchlage fließenden "Wasserschlange" im Gemälde zusammen, doch gleichzeitig offenbart sich der Gegensatz zwischen den fragilen Gliedmaßen der gezeichneten und dem sinnlich leuchtenden, athletischen Körper der gemalten Figur. Und während letztere raffiniert aus dem Bild herausblickt – auffallend sind die halb geöffneten, roten Lippen – trifft man in der Zeichnung auf eine mysteriös verschlossene Mimik. Die verträumte Stimmung und die gleichsam aquatische Transparenz dieser Darstellung sind sehr wesentlich der subtilen Anwendung des blauen Farbstifts zuzuschreiben. Die feinen Falten der gemusterten Unterlage umspülen die Liegende wie Wasserwellen und lassen den ausgestreckten Körper noch schlanker erscheinen – den Abschluss oben beschreiben die rhythmisch verlaufenden Kurven von Beinen, Gesäß und Rücken. Als Zeichner vertieft Klimt sich immer wieder in das Spannungsverhältnis zwischen passivem Liegen und scheinbar endlosem Fließen, verbunden mit dem Bemühen, die Vielzahl von erotisch geprägten Stimmungen in ihrer Essenz zu erfassen. Beide Tendenzen gelangen in dieser Arbeit zu einem herausragenden Ergebnis.
Marian Bisanz-Prakken