Ohne Titel

Maria Lassnig

Kappel 1919 - 2014 Wien

Ohne Titel

Acryl, Bleistift und Blaupapierdurchschlag auf Papier

50 x 69,8 cm

Das Werk wird in das Werkverzeichnis der Maria Lassnig Foundation aufgenommen.

Provenienz:

Nachlass, Maria Lassnig
Hauser & Wirth, New York
Privatsammlung, Europa

Literatur:

vgl. Ausstellungskatalog "Maria Lassnig. Die Zeichnung", hrsg. von Peter Assmann, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Salzburg/Wien 2022
vgl. Ausstellungskatalog "Maria Lassnig. Ways of Being", hrsg. von Beatrice von Bormann, Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder, Stedelijk Museum, Amsterdam, Albertina, Vienna 2019, p. 20f.

Die komplexe Wechselbeziehung zwischen Innen- und Außenwelten bestimmt das umfangreiche Werk Maria Lassnigs über mehr als ein halbes Jahrhundert fast vollständig. Die Art und Weise ihrer so faszinierenden Introspektion, die sie über Jahrzehnte formal und farblich vorantreibt und immer weiter vertieft, sichert ihr eine einzigartige und singuläre Position im internationalen Kunstschaffen der Gegenwart. Trotz extremer Auseinandersetzung mit sich selbst ist Maria Lassnig in ihrer Kunst alles andere als eitel, sie ist ehrlich bis
zur Schmerzgrenze und auch darüber hinaus. Ihre Selbstdarstellung ist, so die Künstlerin – „Einsamkeit des Kritischen, Unvermögen der Ausbeutung eines An-
deren, Meditation und Ansetzen eines wissenschaftlichen Skalpells an einem willigen Objekt, dem Selbst“.1
Zeit ihres Lebens schafft Maria Lassnig ein eindrucksvolles Oeuvre an Zeichnungen und Aquarellen auf Papier, Werke, die sie ihren Ölmalereien als absolut gleichwertig und gleichberechtigt ansieht. „Meine Zeichnungen haben mehr Freiheit und Beweglichkeit in sich als die Ölbilder, weil ich ein Blatt Papier, das wohl auf einer harten Unterlage sein muss, besser platzieren kann, auf meinen Knien, auf meinem Bauch im Bett, auf dem Tisch, am Boden … und ich selbst kann davor alle möglichen Stellungen einnehmen, was
mit einer aufgespannten Leinwand nicht oder nur schwer möglich ist“.2 Der Blick nach Innen – der gerade hier mit besonderen körperlichen Druck- und Span-
nungsempfindungen einhergeht – und dessen materielle Ausformung hat beim Zeichnen einen schnelleren und unmittelbareren Weg von der Körperwahrneh-
mung zur sichtbaren Umsetzung. In den 1990er Jahren dominieren in ihrem zeichnerischen Werk immer wieder intensive, ja bisweilen aggressiv wirkende Gelb- und Rottöne monochrom die Hintergründe der Darstellungen und diese intensiven Farben „… steigern nicht nur die Bildhaftigkeit, sondern interpretieren auch inhaltlich die Komposition“.3
Ein herausragendes Beispiel ihrer Zeichenkunst dieser Jahre stellt nebenstehendes großformatiges, souverän kalligraphiertes „Selbstporträt“ dar, in dem die Künstle-
rin mit wenigen gezielten Linien und Schraffuren ihre markante Physiognomie festhält. Das maskenhaft bleiche, an der inneren und äußeren Welt zweifelnde,
hinterfragende und verunsicherte „alter ego“ der Künstlerin kontrastiert hart mit dem leuchtend roten Hintergrund – „einfaches Rot meist, als plastische
Modellierung, ein Schmerzrot, rot ist der Körper wenn man ihm die Haut abzieht …“4 –, der den packenden emotionalen Moment dieser großartigen Selbstdarstellung Maria Lassnigs eindringlich unterstreicht.
1)Antonia Hoerschelmann, Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Maria Lassnig.
Ways of Being, Ausstellungskatalog, Stedelijk Museum, Amsterdam,
Albertina, Wien 2019, S. 9
2) ebd., S. 18
3) ebd., S. 20
4) ebd., S. 20