Codisotto 1925 - 2019 Wien
Das Große U
aus der Serie „Das imaginäre Alphabet“Ausführung: Kunstgießerei Slavko Mikic, Hof am Leithaberge
Bronze, poliert
Auflage 7
H 87 cm, B 55 cm, T ca. 33 cm; (Sockel T 30 cm, B 70 cm)
Signiert und nummeriert: W BERTONI 6/7
Gießerstempel MIKIC
Provenienz:
direkt aus dem Nachlass des Künstlers
Literatur:
vgl. Kristian Sotriffer, Wander Bertoni. Das plastische Werk 1945 bis 1980, Wien 1981, Abb. S. 82, Nr. 43 und S. 157, Nr. 126
Der 1925 in Italien geborene Bildhauer Wander Bertoni kam 1943 als Fremdarbeiter nach Wien. Angeregt durch einen italienischen Maler, begann er 1944 zu zeichnen und zu malen. Im Jahr darauf beschäftigte er sich erstmals mit bildhauerischen Arbeiten. 1946 begann er sein Studium bei Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Bertonis erste Werke sind noch gegenständlicher Natur. Erst in den 1950er Jahren wandte er sich der Abstraktion zu. Bertoni sah allerdings nie die Form als Selbstzweck: Der treibende Motor in seinem Schaffen blieb stets der Inhalt, Ganz im Sinne der Nachkriegszeit-Kunstbewegung in der Bildhauerei tendierte Bertoni zur Abstraktion und Reduktion. Wander Bertonis Frühwerk ist von den Gestaltungsprinzipien des menschlichen Körpers beeinflusst. Deshalb transfigurierte er die Anatomie des Menschen in eine Formensprache aus geometrischen Komponenten. In seinen frühen Arbeiten wurde nicht nur der Mensch abstrahiert, sondern auch seine enge Verbundenheit mit der Musik zum tragenden Element. Das Instrument, die Laute, wurde als harmonisches Körperglied in die Darstellung integriert und wirkt namensgebend für den Betrachter. Im Laufe der 1950er-Jahre entwickelte Bertoni sein OEuvre mit zunehmender Erfahrung als Bildhauer weiter. Seine nun bevorzugte abstrakte Gestaltungsweise der Silhouette wie auch die Präferenz für eine blank polierte Patina mündeten in die bedeutende Serie des „Imaginären Alphabets“. Der Künstler zog beispielhaft Buchstaben aus dem Alphabet heran und interpretierte diese durch unterschiedliche Formen und Strukturen. Eine offene Formensprache der arabischen Buchstaben erlaubt es dem Betrachter, eigenständige Interpretationen anzustellen. Innerhalb von Bertonis OEuvre und im Kontext der Entwicklung zeitgenössischer Bildhauerei handelt es sich um eine auch international Aufsehen erregende Leistung, nicht zuletzt deswegen, weil es Bertoni gelungen war, Musikalität, Phantasie und metaphysische Komponenten zu vereinen und den Nachweis für die Möglichkeit einer Integration von differenzierter Vorstellungen in ein plastisches Werk zu erbringen.1
1 vgl. Kristian Sotriffer, Wander Bertoni. Das plastische Werk 1945 bis 1980, Wien 1981, S. 18die Aussage seiner Werke. 1965 wurde Bertoni als Leiter der Meisterklasse für Bildhauerei an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien berufen. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Wander Bertoni starb im Dezember 2019 in Wien.
Bertoni war ständig auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. Schon in den 1950er Jahren oszillierte er zwischen figurativer und abstrakter Bildhauerei – ein kreativer Dialog, der sein Schaffen prägend mitbestimmte. Er sprach dabei von erworbenen Erkenntnissen, „die während der Arbeit entstanden sind, und das wird hoffentlich das ganze Leben so bleiben, daß bei jeder Erfahrung neue Formen entstehen. Das ist der Sinn der Kunst – für mich.“1
Das hier gezeigte „Große U“ stammt aus einer der wichtigsten Werkgruppen des Künstlers, dem „Imaginären Alphabet“, das Mitte der 1950er Jahre entstand und hauptsächlich aus hochglanzpolierten Bronzen besteht.
„Innerhalb des Gesamtwerks und innerhalb der Entwicklung zeitgenössischer Bildhauerei erweist sich das ‚Imaginäre Alphabet‘ als eine exemplarische und nach seinem Entstehen international aufsehenerregende Leistung. Und zwar nicht zuletzt deswegen, weil es Bertoni gelungen war, mit dieser von Wittgenstein angeregten kontemplativen, Musikalität und Phantasie, aber auch metaphysische Komponenten einbeziehenden Serie den Nachweis für die Möglichkeit einer Integration differenzierter Vorstellungen in ein plastisches Werk zu
erbringen.“2
Wander Bertoni war Mitbegründer der Wiener KünstlerInnenvereinigung „Art Club“, die von 1947 bis 1957 bestand und als progressive Plattform für junge KünstlerInnen im Kampf um die Autonomie der modernen Kunst fungierte.
1 Kristian Sotriffer, Wander Bertoni. Das plastische Werk 1945 bis 1980, Wien 1981,
Vorwort
2 ebd., S. 18