Dreifigurengruppe

Das Œuvre von Joannis Avramidis, „eine[m] der großen BildhauerZeichner der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“1, ist durch die zentralen Themen der menschlichen Figur und der architektonisch streng konstruierten Köpfe definiert. In all seinen Skulpturen ist ihm das oberste Prinzip der Allansichtigkeit, des Entindividualisierten und
gleichzeitig der Harmonie gegeben. Bei der „Dreifigurengruppe“ entwickelte Avramidis das Volumen der Figur, indem er, in kreisförmigen Segmenten aufgeschichtet, die
Proportionen des menschlichen Körpers „ausgerollt“2 darstellt. Der geglättete Bronzekopf besitzt keine Gesichtszüge und wird ohne physiognomische Differenzierung, Gefühlsregung oder sonstige individuelle persönliche Merkmale präsentiert. Dieser abstrahierende Prozess lässt den Kopf in einer faszinierenden Ruhe erscheinen.
Und dennoch ist über dieses radikale Ausschalten jeglicher spezifischen Physiognomie eine Proportionalität gegeben, die ihren Ausgangspunkt in Avramidis’ Rückbesinnung auf das Gedankengut der griechischen Antike findet. Seine Skulpturen orientieren sich stark an einem Gerüst, das meist durch konstruktivistische Leitmotive, dem
Kreis, der Horizontalen und der Vertikalen, festgesetzt sind. Sie folgen einer strengen Ordnung, einem Rhythmus, der sich durch sein Gesamtwerk hindurchzieht. „Für mich ist das Studium der Natur ein Kampf zwischen einem abbildhaften Vorgang – was man eigentlich Naturstudium nennt – und einem abstrahierenden Prozess: der ist für mich
das schlechthin Schöpferische.“3 Anlässlich seines 100. Geburtstages im Jahr 2022 hatten wir die Ehre, den Künstler Joannis Avramidis mit
einer umfassenden Ausstellung würdigen zu können.
1 Britta E. Buhlmann, „Vorwort“, in: Ausstellungskatalog „Joannis Avramidis. Zwischen
Körper und Linie. Skulpturen und Zeichnungen“, Museum Pfalzgalerie, Kaiserslautern
2006, S. 7f., hier: S. 7
2 Michael Semff, Avramidis. Skulpturen und Zeichnungen, München 2005, S. 129
3 Ausstellungskatalog „Joannis Avramidis. Zeichnungen“, Graphische Sammlung,
Staatsgalerie Stuttgart 1986, S. 16