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Josef Hoffmann
Kasten aus der Wohnung Magda Mautner-Markhof, Wien um 1903Josef Hoffmann zugeschrieben
Zwei Glasvitrinen um 1905Jacob & Josef Kohn, Wien
Zwei Fauteuils um 1910 -
Josef Hoffmann zugeschrieben
Kasten um 1910Josef Hoffmann
Vier Paar Türschnallen Entwurf um 1905Hans Ofner
Zwei Türen mit originalen Türschnallen aus der Villa Schießl um 1911 -
Josef Hoffmann
Kleiner Standspiegel um 1940Josef Hoffmann
Brotkorb 1911Wilhelm Nicolaus Prachensky
Möbelentwurf Schrank um 1920 -
Wilhelm Nicolaus Prachensky
Möbelentwurf Sessel um 1920
ArmlehnsesselOtto Prutscher
Tischchen mit Barschrank und verspiegelter Platte 1922
Anmerkungen zu den um 1900 und in der Zwischenkriegszeit gültigen Einrichtungsmaximen
Adolf Loos übte 1898 satirisch Kritik an den “stilvollen Zimmern”3, den prunkvollen, prestigeträchtigen, historistischen Wohnräumen der Ringstraßenzeit. Er erhob die rhetorische Frage: “Was ist denn dieser stil überhaupt? Er läßt sich schwer definieren. Meiner meinung nach fand jene wackere hausfrau auf die frage, was stilvoll sei, die beste antwort: Wenn auf dem »nachtkastl« ein löwenkopf ist und dieser löwenkopf ist dann auf dem sofa, auf dem schrank, auf den betten, auf den sesseln, auf dem waschtisch, kurz auf allen gegenständen des zimmers gleichfalls angebracht, so heißt dieses zimmer stilvoll.”4.
Als plausible Reaktion auf diesen noch 1897 von Arthur von Scala, dem neuen Direktor des damaligen Museums für Kunst und Industrie (heute MAK) explizit propagierten akademischen Historismus und Stilpluralismus bildete sich die Sehnsucht nach einer neuen, zeitadäquaten Formensprache heraus. In der Generation nach Otto Wagner, dem einflussreichen Professor in der Spezialschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, verkörperten dessen Schüler Josef Hoffmann und der im selben Jahr wie Hoffmann in Mähren geborene Adolf Loos antipodisch die Möglichkeiten, diesen zeitimmanenten künstlerischen Anspruch zu erfüllen.
Josef Hoffmann postulierte die Idee des “Gesamtkunstwerks”, des ästhetizistischen Zusammenschlusses von Kunsthandwerk, bildender Kunst und Architektur, die mit der Forderung nach einer programmatischen Gleichberechtigung von angewandter und bildender Kunst einherging und zum Synonym für die angestrebte Arbeitsweise der Wiener Werkstätte (WW) wurde. 1903 gründete Hoffmann zusammen mit Koloman Moser und dem Industriellen Fritz Waerndorfer die WW, die bis 1932 existierte und für eine elitäre Minderheit – wohlhabende Mäzene, Künstlerkollegen – Entwürfe für alle Bereiche des Kunstgewerbes (Metall, Glas, Keramik, Textilien, Teppiche, Leder, Bücher), selbstverständlich auch für Möbel, lieferte und bis ins kleinste Detail durchkomponierte Raumkonzepte entwickelte. Das Sanatorium Purkersdorf bei Wien (1904-06) und das Palais Stoclet in Brüssel (1905-11) sind zeitgemäße Inkunabeln dieses künstlerischen Gesamtanspruches. Josef Hoffmann zeichnete nicht nur für die Architektur beider Bauten verantwortlich, sondern entwarf auch die komplette Inneneinrichtung, die von der Wiener Werkstätte kongenial ausgeführt wurde.
Adolf Loos hingegen positionierte sich mit einem kulturkritischen Ansatz diametral entgegengesetzt. “Ich bin ein gegner jener richtung, die etwas besonders vorzügliches darin erblickt, daß [sic!] ein gebäude bis zur kohlenschaufel aus der hand eines architekten hervorgehe. Ich bin der meinung, daß [sic!] dadurch das gebäude ein sehr langweiliges aussehen erhält. […] Das gleiche und gemeinsame band, das alle möbel im raum miteinander verbindet, bestände eben darin, dass der besitzer die auswahl getroffen hat […]”5. Adolf Loos kombinierte in seinen Salons und Herrenzimmern bewusst Sitzmöbel, die in Form und Sitzhöhe unterschiedlich waren und auf englische Vorbilder oder antike Möbelformen rekurrierten. In seinem berühmten Vortrag “Ornament und Verbrechen” von 1908 deklarierte er das Ornament zum Objekt der Verschwendung von menschlichen Ressourcen und forderte dessen Überwindung.
Das MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst in Wien widmet diesen beiden Pionieren der Architektur und des Designs im Wien der Jahrhundertwende (= um 1900) gegenwärtig eine groß angelegte Ausstellung, die noch bis zum 19. April unter dem Titel “Wege der Moderne. Josef Hoffmann Adolf Loos und die Folgen” zu sehen ist. Ausgewählte Exponate fokussieren dabei nicht nur Hauptwerke von Hoffmann und Loos, sondern zeigen auch die Vorgeschichte und das Fortwirken ihrer künstlerischen Arbeit bis heute. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die von Loos übernommene “Unordnung”6 als Angelpunkt von Josef Franks Wohntheorie oder Margarete Schütte-Lihotzkys “Wohnung der berufstätigen alleinstehenden Frau” von 1929.
Die “Wiener Moderne” um 1900 propagierte das Entwerfen von Möbeln und Innenräumen, wobei zwei Aspekte eine maßgebliche Rolle spielten: die zeitgemäße, nicht historisierende Formgebung und der Künstler als Schöpfer dieser neuen Formensprache. Neben Josef Hoffmann und Adolf Loos reihen sich Otto Prutscher, Josef Urban, Marcel Kammerer, Joseph Maria Olbrich, Leopold Bauer oder Dagobert Peche nahtlos in diese Genealogie der “Künstler-Architekten” ein.
Um 1900 begannen sich Architekten auch mit der Gestaltung von Möbeln aus gebogenem Holz zu beschäftigen. Die Bugholzmöbelerzeuger J. & J. Kohn und Gebrüder Thonet produzierten Möbel nach den Designs von Adolf Loos, Josef Urban, Josef Hoffmann und seinen Schülern Gustav Siegel und Otto Prutscher oder des Malers, Grafikers und Kunsthandwerkers Koloman Moser.
In den 1830er-Jahren hatte Michael Thonet in Boppard am Rhein seine Experimente mit dem Biegen von Holz gestartet, die am Anfang der Erfolgshistorie einer sich innerhalb weniger Jahrzehnte als Unternehmen von Weltgeltung profilierenden Firma stehen sollten. 1841 wurde das Bugholzverfahren patentiert, ein Jahr später transferierte Michael Thonet seine Möbeltischlerei aus dem Rheinland nach Wien und richtete 1849 in Wien-Gumpendorf eine eigene Werkstatt ein. Schließlich gründete Michael Thonet 1853 zusammen mit seinen fünf Söhnen die Firma “Gebrüder Thonet”, die weltweit expandierte und ein internationales Vertriebsnetz aufbaute.
1867 erwuchs den “Gebrüdern Thonet” in der neu gegründeten Firma Jacob & Josef Kohn ein ernsthafter Konkurrent auf gleichem produktions- und verfahrenstechnischem Niveau. Um 1900 entsprach die Produktionskapazität von Kohn mit einer Stückzahl von 4000 am Tag bereits der der Gebrüder Thonet. Die Firma J. & J. Kohn übernahm zur Zeit der Jahrhundertwende die strategische Vorreiterrolle in dieser ausgeprägten Konkurrenzsituation. Sie beauftragte in einer ersten Initiative den Hoffmann-Schüler Gustav Siegel mit der Gestaltung des Kohn-Standes auf der Pariser Weltausstellung 1900 und weiteren Bugholzmöbelentwürfen. Schon bald hatte die Firma J. & J. Kohn die komplette Designer-Avantgarde ihrer Zeit im Programm. Thonet stand unter Zugzwang und parierte gekonnt.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Karten neu gemischt. 1914 wurde die Firma Kohn, die mittlerweile als Aktiengesellschaft firmierte, ein Teil des nunmehrigen Kohn Mundus Konzerns, 1922 fusionierte dieser mit Thonet und konstituierte die Thonet-Mundus AG.
In der “Wiener Moderne” um 1900 und den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg waren Möbelhäuser im heutigen Sinne nicht mehr als ein Desiderat. Neues Mobiliar stammte vorzugsweise vom Tischler oder einem Ausstattungsunternehmen, das es vermochte, auch Vorhänge, Tapeten oder die Polsterung von Sitzgelegenheiten zu liefern. Die Firma Portois & Fix, die 1881 aus einem Zusammenschluss des Wiener Tapezierermeisters Anton Fix mit dem französischen Möbelhersteller August Portois entstanden war, konnte sich als ein traditionsreiches Wiener Ausstattungsunternehmen positionieren. Portois & Fix kooperierte ab 1890 eng mit Künstlern und setzte Entwürfe von Otto Wagner, Josef Hoffmann oder Koloman Moser kongenial um. Zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zählte die Firma mehr als 700 Beschäftigte, ihre Produktpalette wurde in unzählige Länder exportiert und in internationalen Filialen, darunter Paris, London, Bukarest, Berlin, Mailand, Budapest, Bombay, Kairo oder Konstantinopel, offeriert. Die Omnipräsenz von Portois & Fix auf Kunstgewerbeausstellungen und lobende Rezensionen in einschlägigen Fachpublikationen bewirkten ein unleugbares Renommee, das aus dem Konglomerat mehrerer Stilmerkmale resultierte: aufwändige Verarbeitung edler Hölzer, einfache Formen, glatte Flächen, Holzintarsien, Alpacca-Einlagen oder Kupferbeschläge.
1900 skizzierte Robert Oerley, Schüler an der Wiener Kunstgewerbeschule, die Ansprüche an das moderne Möbel in einem Essay mit dem Titel “Wie ein modernes Möbel entsteht” unmissverständlich so: “Ein den Anforderungen des Gebrauchs vollkommen entsprechendes Möbel, welches hinsichtlich des gewählten Materials und der Bearbeitung den letzten Errungenschaften der Technik entspricht und im Geiste der lebenden Kunst ausgebildet wurde, ist modern.” 7
Andrea Schuster
1 See Adolf Loos, ‘Die Interieurs in der Rotunde’ (1898), in: idem, Ins Leere gesprochen (1921), reprint, Vienna, 1981, p. 75.
2 Ibid., p. 81.
3 Ibid., p. 78.
4 Ibid., p. 75.
5 Ibid., p. 81 and p. 78.
6 Josef Frank, ‘Raum und Einrichtung’ (1934), in: Josef Frank 1885–1967, exhib. cat., Hochschule für angewandte Kunst, Vienna, 1981, p. 97.
7 Robert Oerley, ‘Wie ein modernes Möbel entsteht’, in: Das Interieur I, 1900, pp. 177–192.